M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette
Ach Gott / wie mancher feind tracht vns hie nach dem leben!
Der wurff / der schlag / der stoß / der schoss / der stich / der hieb
Der brand / der fall / der gift / des mörders hand / d dieb /
Die hungersnoht / der durst / die hitz vnd frost daneben.
Wie mancher kranckheit ist ein mensch hier übergeben?
Wie manches hertzeleid fällt = vns aus angetrieb /
Des bösen geistes = an? wir müssen durch das sieb
Des todes schwind hindurch / da hilft kein wiederstreben.
Wer ist / wenn Gott der Herr wil über jhn gebieten /
Der sich für todes=fahr ein augenblick zu hüten /
Sich wol vermessen kan / wie witzig er auch ist?
Welch stäublein ist so klein / welch würmlein kreucht auf erden
Dz nicht / wenn Gott verhengt / kan vnser mörder werden?
Jn summa / nichtes hilft für s grimmen todes list.
Wie mancher mensche muss aus diesem leben scheiden /
Der noch nicht hat gewust / was tod vnd leben ist!
Wie mancher muss / der sich auf lange zeit vermisst /
Eh er sich des versieht / den todes rachen weiden!
Dis leben hie ist kurtz vnd hat sehr kurtze frewden /
Die man / eh man sie recht genossen hat vergisst /
Jst gleich / (in dieser zeit / die vns verzeert vnd frisst/)
Das leid nicht kurtz / das wir in solcher kürtze leiden.
Dis leben ist ein trawm ein wasser-schaum ein plitz /
Dis leben ist ein schall / ein wasserfall / ein sitz
Des todes / der in vns / weil wir noch leben / lebet.
Wer denn nu leben wil / wenn er gestorben ist /
Der dencke stets an die sehr=kurtze lebens frist /
Durch diesen tod / dem man vergebens wieder strebet.