M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

73. Vergrabe dein pfund nicht:

Hat dich der milde Gott mit seines geistes gaben
Für anderen begabt: hat dich des geistes gonst
Durch Gottes wort gelehrt die grosse Christen=konst /
Dadurch ein mensche kan den weg zum himmel haben.
So mußt du darumb nicht mit stoltz hereinher traben /
Die konst / so himmlisch ist erregt nicht stoltzen donst.
Viel weniger solt du / was dir von Gott vmbsonst
Gegeben ist / aus neid verbergen vnd vergraben.
Wer seinen schatz vergräbt / den jhm der herre gab
Vnd nimmt jhn ohne nutz vnd wucher mit in ’s grab /
Der hindert Gottes werck’ zu seinem eignen leide.
Drumb frewdig angelegt / das dir vertrawte pfundt /
Damit du dermaleins hör’st durch des herren mund:
Du trewer knecht geh’ ein in deines herren frewde.

74. Hüte dich für vnnötiger trawrigkeit:

O weh dem / welcher ist mit trawrigkeit geplaget!
Er schläfet ohne schlaf / er ruhet ohne ruh /
Er wachet mit verdruß / vnd eilt zum grabe zu /
Er frisst sich selbst / vnd weiss doch oft nicht / was jhn naget.
O wol dem der in Gott nach frewd’ vnd wonne jaget!
Er lebt in höchster lust / jhm ist vor nichtes bang’ /
Jm spinnet Lachesis den Faden noch so lang.
Er ist an Gott vergnügt / auf den er alles waget.
Drumb fass’ ein frölich hertz / vnnd sey eins frischen muthes /
Treib’ angst vnd trawren auß / vnd thu dir selber gutes /
Frewd’ ist des hertzens hertz’ vnd stellet es zur ruh.
Was ist Melancholey? ein brunnenquell des zweifels
An Gottes gütigkeit: ein bett’ vnd bad des teufels.
Sie stürtzt viel leut’ in’s grab vnnd dient doch nirgends zu.

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